Romantische Klaviermusik zu zwei und vier Händen und ein Streifzug durch die Klaviermusik der 20er Jahre

Ein kleines Klavierfestival bietet nicht-alltägliche Konzerterlebnisse

Die Wiener Pianistin Renate Hudler und der kanadisch-amerikanische Pianist Karl Heinz Grube haben ein Klassikfestival auf die Beine gestellt, das von 21.-23 Juni in der Wotrubakirche stattfindet.

An drei Konzertabenden wird dem Publikum ein abwechslungsreiches Programm geboten, das von virtuoser romantischer Klaviermusik von Chopin und Liszt, tschechischer Klaviermusik für vier Hände bis zur Klaviermusik der 20er Jahre von Gershwin, Ravel und Fats Waller reicht.

Am ersten Konzertabend interpretiert der Pianist Karl Heinz Grube Meisterwerke der romantischen Klaviermusik von Chopin, Liszt und Tschaikowsky. Liszts einsätzige Dante-Sonate wurde wie viele seiner Kompositionen mehrmals überarbeitet und als abschließender Höhepunkt des zweiten Bandes seiner Années de pèlerinage veröffentlicht. Dieses Stück lebt von großen Kontrasten, starker Theatralik und von innovativen Klangeffekten. “Die Herausforderung bei Liszt ist es, die technische Virtuosität dazu zu nützen, sich musikalisch auszudrücken, statt sie bloß Selbstzweck sein zu lassen. Liszt selbst war einer der besten Pianisten, und seine Stücke benötigen meiner Meinung nach die Persönlichkeit des Interpreten noch mehr, als das bei der Musik anderer Komponisten der Fall ist”, so Karl Heinz Grube.

Ein hervorragender Pianist war auch Chopin, und seine zweite Klaviersonate gilt als eines seiner Meisterwerke. Ihre große Bekanntheit verdankt sie nicht zuletzt dem Trauermarsch, der im Zentrum der Sonate steht. Orchestral schließt das Konzert mit Tschaikowskys Grande Sonate in G-Dur. “Chopin und Liszt haben sehr klavierspezifisch komponiert, und trotz aller technischer Schwierigkeiten sind ihre Stücke sehr pianistisch geschrieben. Bei Tschaikowskys ist das anders: er schreibt für das Klavier wie für ein Orchester. Mir gefällt diese Klangfülle und die Überschwänglichkeit seiner Musik – leider wird diese Sonate viel zu selten aufgeführt!”

Karl Heinz Grube absolvierte sein Klavierstudium in den USA/Kalifornien und beschäftigte sich im Rahmen seines anschließenden Doktoratsstudiums intensiv mit der Interpretation romantischer Klaviermusik, insbesondere von Liszts Transzendentalen Etüden. Seine Interpretationen sind von seiner Persönlichkeit und Musikalität geprägt, die auch bekannte und oft gehörte Stücke zu neuen Hörerlebnissen werden lassen.

Der zweite Konzertabend widmet sich der Klaviermusik der 20er Jahre, einer spannenden Zeit mit einigen Parallelen zu heute. Damals hatte die Spanische Grippe gerade bis kurz zuvor weltweit gewütet und der 1. Weltkrieg hatte einer längeren Zeit des Friedens in Europa ein Ende gesetzt.

Im Gegensatz zu den politischen Ereignissen zelebriert die Musik der 20er Jahre nun in der Erleichterung über Pandemie- und Kriegsende die Lebensfreude und das ausgelassene Im-Jetzt-Leben und lässt Vergangenheit und Zukunftssorgen vergessen.

Viele Amerikaner zieht es nun, unter anderem auf Grund der vergleichsweise billigen Lebenskosten, nach Paris. Jazz-Bands reisen durch Europa und Persönlichkeiten wie Josephine Baker lösen in Paris einen regelrechten Jazz-Hype aus. Zugleich entsteht in den USA die frühe Tonträger-Industrie. Zez Confreys Novelty-Piano-Hit Kitten on the Keys verkauft sich erstmals als Tonaufnahme in Form einer Klavierrolle für selbst spielende Klaviere besser, als in der gedruckten Notenausgabe.

Werke wie Gershwins An American in Paris oder die vom Ragtime inspirierten Stücke von Debussy und Ravel, zeugen von einer gegenseitigen Faszination. Europäische Komponisten wie Milhaud und Ravel unternehmen Konzertreisen in die USA und besuchen begeistert Aufführungen in Harlem. Dort spielen Jazzpianisten wie Fats Waller und Willie “The Lion” Smith in einem neuartigen Stil, der an die Stelle des früheren Ragtimes tritt.

Jazzpianisten wie James P. Johnson und Fats Waller entwickeln ihren neuen Stride-Piano-Stil aber nicht völlig abseits der klassischen Musik. Bekannt ist die übliche Praxis über klassische Stücke wie Dvořáks Humoreske zu improvisieren. Weniger bekannt ist vielleicht, dass Fats Waller Präludien und Fugen von Bach aufgenommen hat (Fun Fact: das Label entschied sich gegen eine Veröffentlichung, da sie zu sehr “swingten”) oder dass Fats Waller und James P. Johnson Kompositionsunterricht bei Leopold Godowsky, dem Ahnvater der russischen Klaviertradition, nahmen.

So wie einige Kompositionen klassischer Komponisten aus Improvisationen hervorgegangenen sind (man denke an Bach, Schumann, Liszt und andere), so sind einige der Hits der frühen Stride-Pianisten durchaus Kompositionen und stehen in Bezug auf Virtuosität und Komplexität den klassischen Kompositionen in nichts nach. Auch war es unter Stride-Pianisten üblich, die Show-Stücke anderer Pianisten zu lernen (teilweise mit Hilfe der Wiedergabe auf selbstspielenden Klavieren) und ins eigene Repertoire aufzunehmen. Überliefert ist eine bekannte Anekdote von Horowitz, der nach einem Auftritt von Art Tatum in der Carnegie Hall nach den Noten für eines von dessen Stücken bat – dieser antwortete, dass es keine Noten gäbe.

Renate Hudler ist eine klassische Pianistin, die ihre Ausbildung an den beiden renommierten Wiener Musikuniversitäten absolviert hat. Für dieses “Cross-Over”-Programm hat sie sich diesem frühen Jazz-Stil auf authentische Weise anzunähern versucht.

„Gershwins Musik und die Aufnahmen seiner eigenen Interpretationen begleiten mich schon seit meiner Jugend. Die Vorbereitung für dieses Projekt war und ist eine spannende, und umfasst neben dem Üben diesmal noch einiges mehr: von manchen Stücken, z.B. von Gershwin, gibt es Noten, aber einzelne Teile, die auf der Originalaufnahme des Komponisten gespielt werden, fehlen. Diese Teile habe ich mit Hilfe der Aufnahme nach Gehör einstudiert. Genauso habe ich die Stücke der Jazz-Pianisten nach Gehör gelernt – leider konnte ich keine selbstspielendes Klavier zur Hilfe nehmen – dafür aber Apps, bei denen man die Geschwindigkeit reduzieren kann, was sehr hilfreich war!

Die Novelty Piano- Aufnahmen sind etwas ganz Besonderes. In diesem Musikstil ist ja primär für selbstspielende Klaviere und die damals relativ neue Klavierrollen-Technologie komponiert worden. Bei der Aufnahme werden zuerst die gespielten Töne und deren Dauer auf der Papierrolle markiert und anschließend werden die Löcher gestanzt, die für den Wiedergabemechanismus nötig sind. Dabei ist es einfach möglich, Fehler zu korrigieren, aber auch zusätzliche Töne hinzuzufügen. Von dieser Praxis wurde auch sehr großzügig Gebrauch gemacht! Das hat aber leider zur Folge, dass manche Aufnahmen nicht mehr von einer Person spielbar sind..  oder vielleicht aber doch?..Wenn man versucht, die zusätzlichen Töne auf der Rolle auch noch unterzubringen, kann das ganz schön virtuos werden – aber genau diese Art von pianistischer Herausforderung reizt mich!

Außerdem gibt es noch Songs von Cole Porter oder Annette Hanshaw, die in so einem Programm auch nicht fehlen dürfen. Hier habe ich dann teilweise eine eigene Klavier-Version angefertigt.“

Der dritte und letzte Konzertabend führt musikalisch in den Böhmerwald. Das Klavierduo HudlerGrube interpretiert anlässlich des Jahres der tschechischen Musik – gleich drei tschechische Komponisten feiern 2024 ein rundes Jubiläum- vierhändige Klaviermusik von Dvořák, Smetana und Janáček. Smetanas Moldau ist wohl das bekannteste Werk des Komponisten. Zu hören ist dieses Stück in der Bearbeitung des Komponisten für Klavier zu vier Händen. Auch Dvořáks Klavierzyklus “Aus dem Böhmerwalde” ist von den Landschaften seiner Heimat inspiriert. In mehreren Charakterstücken werden Szenen wie Die Walpurgisnacht oder Am schwarzen See geschildert. Von der tschechischen Volksmusik inspiriert sind Janáčeks Mährische Volkstänze sowie Dvořáks Slawische Tänze.

Das Klavierduo HudlerGrube tritt seit 2014 gemeinsam auf. 2023 erschien eine CD mit vierhändiger Klaviermusik der Belle Epoque, gespielt auf einem historischen Érard von 1885. Die Repertoireschwerpunkte des Klavierduos umfassen die Klaviermusik der Romantik, Musik der Jahrhundertwende und Musik des 20. Jahrhunderts.

Veranstaltet wird die Konzertreihe in der Wotrubakirche am Georgenberg vom 21.-23. Juni – Beginn der Konzerte ist jeweils 20:00. Für eine Stärkung in der Pause sorgen gegen eine Spende die Caex der Pfadfindergruppe 57 vom Georgenberg.

Tickets und weitere Informationen erhalten Sie unter hudlergrube.com/festival oder telefonisch unter 0677 619 29 616 (Di,Fr 15-18 Uhr, Do 10-12 Uhr)

Hören Sie bitte hier einen Podcast mit Renate Hudler: